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Pornosucht – Was steckt dahinter und wie ernst ist diese Sucht?

13. Oktober 2021
Wie auch Alkohol und Drogen können Pornos heutzutage mit ihrer unbegrenzten Verfügung im Netz zur Sucht führen. Doch ist diese Sucht genauso gefährlich beziehungsweise mit gesundheitlichen Folgen verbunden?
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von Arjang Taban-Shomal

Heutzutage findet man fast alles im Wordwideweb. Dazu gehört auch Pornographie, die durch das Internet einen enormen Anstieg und Popularität gewonnen hat. Pornhub.com wurde im Jahr 2019 42 Milliarden Mal alleine in Deutschland besucht, was Deutschland zu Platz 6 des Besucherrankings macht. In den 2 Jahren davor stieg diese Zahl jeweils um 8 Milliarden Besucher pro Jahr. Allein Pornhub soll 1,36 Millionen Stunden an Videomaterial haben. Nicht verwunderlich, wenn 25% aller Suchanfrangen im Netz sich um sexuelle Inhalte handeln. Und Pornhub ist nicht die einzige Seite mit pornographischem Zugang. Im Netz sind über die Jahre geradezu die Angebote an Pornoseiten explodiert. Nach dem Motto „sex sells„, denn schätzungsweise wird im Internet alleine durch Pornos 12,6 Millionen Euro Umsatz gemacht, und das pro Tag. 

Statistiken zufolge hat auch jede:r mit Internet Zugang mindestens einmal eine pornographische Seite besucht. Geradezu für die jüngere Generation, die mit dem Internet aufgewachsen ist, ist es schon ganz normal, im pubertären Alter die ersten sexuellen Erfahrungen im Virtuellen zu erleben. An sich ist es auch nichts Schlimmes. Im Gegenteil soll die Selbstbefriedigung ja auch völlig normal und gesund sein. Doch wo ist die Grenze? Kann ein zu häufiger Konsum von Pornographie überhaupt ungesund sein?

Pornhub.com wurde im Jahr 2019 42 Milliarden Mal alleine in Deutschland besucht.

© Foto auf Pixabay.com, lizenzfrei.

Ja, denn wie alles im Leben kommt es immer auf das Maß an. Da aber die Internet-Pornographie ein relativ neues Gebiet ist, hat es erst gedauert, bis erste klinische Studien dazu rauskamen. Ein anderes Problem ist, dass dieses Thema gerade im Jungendalter sehr unangenehm ist und sich viele nicht offen über ihren Konsum äußern. Gerade wenn jemand unter einer Pornosucht leidet. Die Pornosucht selber wurde so bis jetzt noch nicht als Krankheit identifiziert. Da sich nun aber immer weiter die Fälle häufen, soll ab nächstes Jahr die Pornosucht zusammen mit der ICD-11 (internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) als „Compulsive Sexual Behaviour Disorder“ gelistet werden. Aber was kann man sich unter einer Pornosucht vorstellen? Was genau ist daran schädlich. 

Wie bei jeder Sucht ist das Hauptproblem der übermäßige Konsum. Was bei den Massen an verfügbaren Zugängen zu verschiedenen Seiten und Videos im Internet erst recht begünstigt wird. Früher war es gerade für Jugendliche nicht so leicht möglich, an pornographische Materialien zu kommen, jedenfalls bevor es das Internet gab. Heutzutage reicht alleine das Googlen aus und man findet direkt ungehindert Zugang zu diesen Seiten. Warum gerade diese Sucht entstehen kann, dafür ist das Dopamin verantwortlich. Dieses wird nämlich ausgeschüttet, sobald man zum Orgasmus kommt. Durch die pornographischen Videos ist unser Gehirn vollkommen anderen Reizen ausgesetzt, wie nur Bildern, der Fantasie oder gar dem echten sexuellen Leben. Und da Dopamin im Gehirn ein Belohnungsgefühl auslöst, besteht eine große Gefahr, in eine Sucht zu verfallen. Generell ist Dopamin bei allen Süchten die Hauptursache. Je mehr Dopamin ausgeschüttet wird, desto glücklicher fühlt man sich. Und genau da entsteht die Gefahr. Man sucht ohne es zu merken nach dem großen Dopamin-kick. Man verliert sich in der Pornowelt. Sucht immer länger und häufiger nach bestimmten Videos, um so das Dopaminzentrum im Gehirn zu reizen. Wobei man selber dadurch Gefahr läuft sexuell abzustumpfen. Sprich der reale Kontakt zum Partner:in wird uninteressant, da die Reize nicht mehr groß genug sind. Nebenbei entsteht bei jüngeren Personen ein falsches Bild von Sex, da Sex in Pornos immer sehr extrem dargestellt wird. 

Man verliert sich in der Pornowelt. Sucht immer länger und häufiger nach bestimmten Videos, um so das Dopaminzentrum im Gehirn zu reizen.

© Foto auf Pixabay.com, lizenzfrei.

Des weiteren wird unser Hormonhaushalt durch die ständige Dopaminflut komplett durcheinandergeworfen. Mehrere Studien zeigen, dass durch übermäßigen Konsum gerade die Dopamin- und Serotoninwerte sich im Körper verändern. Oft folgt ein Kontrollverlust bis hin zu starken Depressionen, Angststörungen oder Sozialphobie. Auch wenn öfters einsame Menschen der Gefahr dieser Sucht ausgesetzt sind, gibt es dennoch viele Patient:innen, die trotz Beziehung und sozialer Umgebung in diese Sucht verfallen können. Woran auch die Beziehung oft zerbricht.  

Die Zahlen zeigen auch eindeutig, dass öfters das männliche Geschlecht davon betroffen ist. Bei Umfragen auf den Pornoseiten sind es 70% männliche Besucher. Was auch schon zum nächsten Problem führt: Denn mehrere Studien und Berichterstattungen aus dem Jahre 2015 zeigen, dass die Anzahl der erektilen Dysfunktion im Alter von 20-30 Jahren erheblich gestiegen ist. Oft im Zusammenhang mit starkem Pornokonsum. Auch der Anstieg an Patienten mit vorzeitigem Samenerguss stieg an. Bei einer weiteren Studie wurde bei Männern mit hohem Konsum ein MRT gemacht. In der MRT-Volumetrie hatten diese Männer einen deutlich verkleinerten Schweifkern (Nucleus caudatus). Je mehr Zeit sie mit Pornos verbrachten, umso kleiner war diese Hirnstruktur. Der Schweifkern ist wichtig, um eine Belohnung zu entdecken und wahrzunehmen, um zwischen Belohnungen zu differenzieren und um die Motivation zu erzeugen, eine Belohnung zu erlangen. Dadurch könnte auch eine Antriebslosigkeit im Alltag entstehen, da die Motivation fehlt etwas zu erreichen. 

So gut das Internet auch sein kann, ist es für viele Jugendliche, was die Pornographie betrifft, auch gefährlich. Im Durschnitt ist heutzutage ein Kind 11 Jahre alt, wenn es sich seinen ersten Porno im Internet anschaut. Bis jetzt ist es auch nicht möglich dies zu verhindern. Die Seiten fragen zwar nach, ob man volljährig ist,aber man muss nur „ja„ drücken und schon hat man vollen Zugriff auf die Seite. Es ist daher mehr eine rechtliche Absicherung der Seiten als zum Schutz der Minderjährigen. Eine Altersüberprüfung gibt es nicht. Deshalb meinen viele Psyscholog:innen, dass man die Kinder schon in der Schule darüber aufklären müsste. Zwar würde dies nicht verhindern, dass sie sich Pornos im Internet anschauen. Jedoch könnte es ihr Bild davon beeinflussen und eventuell auch eine Sucht vermeiden lassen, wenn sie das Gefahrenpotential und die Folgen kennen. 

Gerade die Dopamin- und Serotoninwerte verändern sich im Körper. Oft folgt ein Kontrollverlust bis hin zu starken Depressionen, Angststörungen oder Sozialphobie.

© Foto auf Pixabay.com, lizenzfrei.

Nichtsdestotrotz ist diese Entwicklung dennoch erschreckend und in der Gesellschaft noch nicht wirklich angekommen oder wird gar verharmlost. Vielen ist nicht einmal bewusst, dass sie unter einer Sucht leiden. Denn im Gegensatz zu Alkohol oder Drogen ist die Masturbation doch völlig harmlos. Dass es körperlich harmloser ist, oder besser gesagt nicht so schädlich, stimmt schon. Aber sobald eine Sucht entsteht, diese unser Leben und die Psyche beeinflusst, kann auch etwas völlig Harmloses zur Gefahr für uns werden. Im Internet gibt es schon eine Community die sich „No Fap„ nennt, in dem sich die Nutzer gegenseitig über ihre Pornosucht austauschen und versuchen über einen Monat nicht zu masturbieren. Für die meisten hört sich das nach keiner großen Herausforderung an. Doch für die Leute dieser Community, die sich nach eigenen Angaben sechs Mal täglich befriedigen, ist dies eine große Herausforderung. Dennoch berichten viele, dass es ihnen sehr geholfen hat, wieder Kontrolle über ihr Leben zu erlangen und ihre Beziehung zur echten sexuellen Erfahrung zu verbessern.  

Für viele hört sich so eine Community vielleicht wie eine Versammlung von perversen Menschen an. Doch wie bei anderen Süchten kann der Hintergrund viel mehr ein anderer sein, als die reine sexuelle Befriedigung. Deshalb ist es auch wichtig zu wissen, dass man nicht als einzige:r unter solch einer Sucht leidet. Der Austausch kann auch dazu ermutigen es gemeinsam zu überwinden. Gerade bei einem so heiklen Thema wie der Masturbation, was bis vor nicht allzu langer Zeit noch ein Tabu-Thema war. Und noch bis heute wird nicht gern darüber gesprochen. Egal ob zu Hause bei den Eltern oder gar in der Gesellschaft. Irgendwie auch verständlich. Wer würde schon gerne mit seinen Eltern darüber reden, oder gar mit seinen eigenen Kindern. Aber vielleicht ist es gerade in der heutigen Welt mit den Gefahren der Porno-Industrie an der Zeit, aus seiner Komfortzone rauszukommen und auch solche unangenehmen Themen anzusprechen. Egal ob man selbst betroffen ist oder gar zum Schutz der eigenen Kinder oder Freund:innen. Weiterführende Informationen und Wissenswertes zu dem Thema findet ihr unter folgender Webseite https://www.arztphobie.com/psychologie/sucht/pornosucht/ bzw. unter den unten angegebenen Quellen!

https://www.tk.de/techniker/magazin/lifestyle/liebe-sex-partnerschaft/mypornme/pornosucht-erkennen-ist-der-erste-schritt-2074170?tkcm=ab 

https://www.aerztezeitung.de/Panorama/Was-Pornos-im-Gehirn-anrichten-274736.html 

https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/pornographie-als-massenphaenomen-wie-schaedlich-sind-pornos-16798590.html 

https://www.tk.de/techniker/magazin/lifestyle/liebe-sex-partnerschaft/mypornme/zehn-nackte-tatsachen-zu-pornografie-2090126 

https://www.youtube.com/watch?v=bdiMFQk_aW8 

https://www.tagesanzeiger.ch/wissen/technik/wie-frauen-und-maenner-pornos-konsumieren/story/12940128 

https://www.zdf.de/verbraucher/volle-kanne/pornosucht-102.html 

https://www.jetzt.de/sex/no-fap-alexander-rhodes-ist-vorreiter-der-anti-masturbations-bewegung

 

Arjang

Arjang

Redakteur