Uni, Thema, Ausland, Famulaturcheck

Sonnenschein, Tacos und Famulatur

10. März 2024
¡Arriba! Zwischen Tequila und Mariachi-Musik. Wir haben uns für Dich informiert, was eine Famulatur in Guadalajara – Mexiko, so alles zu bieten hat.
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von Ana Carolina Mairhofer

Famulaturen und KPJ-Abschnitte außerhalb von Europa sind entweder heiß begehrt oder gar nicht bekannt. Dort, wo junge Menschen gerne Backpacken gehen, wie beispielsweise Kambodscha, Sri Lanka, Peru oder Mexiko, kann man als Student:in an der MUI seine Vorteile ziehen.  

Tiefer und intensiver erlebt man fremde Länder oftmals nicht an deren Stränden, Dschungel oder Bergen, sondern in deren Kliniken.  

Wir vom Medicus haben uns mit jemandem getroffen, der letzten Sommer in der Hauptstadt des westmexikanischen Bundesstaats Jalisco famuliert hat und berichten euch direkt aus erster Hand über den Alltag und das Geschehen in einer mexikanischen Pädiatrie.  

 Interviewter ist Marvin Isaar Riedl, der sich aktuell im 10. Semester befindet und vor dieser Auslandsfamulatur zwei volle Semester in Valencia, Spanien, studiert hat (MUI Erasmus Programm). 

¿Buenas Marvin, como andas?  

¡Todo tranquilo! 

Uns geht es in diesem Interview um deinen Sommer, den hast du nämlich woanders verbracht und famuliert, als so manch andere an der MUI. Wo genau du warst, habe ich den Lesern bereits vorab erzählt, nämlich in Guadalajara. Für all jene, die jetzt nicht gleich im Internet nach Bildern suchen; magst du über die Stadt oder gar dem Bundesland selbst, Jalisco, etwas erzählen und uns einen kleinen Eindruck geben?  

Guadalajara ist die zweitgrößte Stadt in Mexiko. Ich würde sagen, es ist kein Touristen-Hotspot, sondern eine wirkliche Arbeiterstadt, ein concrete jungle. In meinem Monat dort habe ich nur einen weiteren Touristen gesehen und das war im Museum. Jedoch erlebt man dort die mexikanische Kultur hautnah! Mariachi und Tequila stehen an der Tagesordnung, denn es ist die Geburtsstadt von beidem. Zu Jalisco… Jalisco grenzt im Westen an den Pazifischen Ozean und der Lago de Chapala, der größte See Mexicos, liegt auch (von dem Guadalajara übrigens Wasser entnimmt) in diesem Bundesland. 

Wenn wir schon beim Beschreiben sind, magst du uns auch die Klinik kurz vorstellen, in der du famuliert hast?  

Die Famulatur fand statt im Hospital Civil de Guadalajara – ein öffentliches Krankenhaus. Das ist jetzt etwas vereinfachter ausgedrückt, weil ich selbst nicht 100 % mit deren gesamtem Gesundheitssystem vertraut bin, aber in Mexiko existiert (ähnlich wie bei uns) eine allgemeine Krankenversicherung, demnach findet man in diesem Krankenhaus jede Schicht der Bevölkerung. Es war somit nicht unüblich bei der Morgenvisite zum Beispiel auch mal auf Häftlinge zu treffen, die immer von bewaffneten Polizisten begleitet wurden.  

Zum Klinikkomplex selbst, also der ist in zwei Gebäude eingeteilt: ein historischer Teil, der bestimmt schon über hundert Jahre alt ist und durch seinen Baustil, verzierte Hausmauern, Wandmalereien, lange Gänge und große Innenhöfe eher einem Museum als einem Krankenhaus gleicht. Dann etwa ein Kilometer die Straße runter steht das zweite Gebäude, ein zwölfstöckiger Betonklotz, in dem ich das Glück hatte, meine Famulatur abhalten zu können. 

Wärst du lieber im alten Gebäude gewesen?  

Ach nein, das Gebäude war nebensächlich. Denn es gab meinen Fachbereich nur in dem Neueren und das Team, in dem ich arbeiten durfte, war auch sehr gut.  

Hattest du, durch die europäische Darstellung anderer Länder, eine bestimmte Vorstellung bezüglich einer Famulatur in Lateinamerika, bevor du sie angetreten bist? 

Ja! Ich denke, dass natürlich eine gewisse Meinungsbildung vorlag. Ich persönlich stellte mir Mexiko anders vor, als es dann tatsächlich war. Guadalajara ist sehr laut, sehr gefüllt mit Menschen und Armut. Am ersten Tag meiner Famulatur, als ich die Führung durch das Krankenhaus bekam, wurde mir geraten nach Spätschichten direkt vor dem Krankenhaus bis direkt vor meine Unterkunft zu fahren, weil die Gegend um das Krankenhaus eher eine gefährliche ist.  

Hast du das dann auch so gehandhabt bzw. ist dir in den vier Wochen je was passiert?  

Mir persönlich ist nie etwas passiert, ich war aber auch nie Spätschicht (lacht). Jedoch ist die Gegend um das Krankenhaus eine sehr – wie soll ich sagen – turbulente. Jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit spazierte ich bei einem Mix aus Menschen vorbei, die vor dem Krankenhaus schliefen und Taco Ständen. Sobald man aber das Krankenhaus betritt, herrscht eine gewisse… Ordnung, da die Security sehr strikt ist, wen sie in das Krankenhaus lässt.  

Wenn Guadalajara jetzt aber eher eine Arbeiterstadt ist, mit wenig Tourismus, da bist du als 2-Meter Birkenstock Europäer ja sicher aufgefallen, oder wie hast du das empfunden? 

Die Größe ist sicherlich ein Faktor, durch den man schnell aus der Masse hervorsticht, ja. Da Guadalajara wie schon erwähnt keine sehr touristische Stadt ist und man durch seinen Alltag im Krankenhaus sehr nahen Kontakt zu den locals hat, spürt man natürlich mehr Augen als gewöhnlich auf sich haften. Jedoch hatte ich nie eine unangenehme Interaktion diesbezüglich, die Leute sind trotzdem wirklich freundlich und höflich zu extranjeros. Und ich finde man kann das auch als Vorteil sehen, da man so sehr schnell und einfach ins Gespräch kommt. 

Einige Eindrücke aus der Pädiatrie.  © Marvin Isaar Riedl

Reden wir mal über den Hands-On Bereich deiner Famulatur; wo durftest du überall agieren? Ich weiß, du hast bei vielen Sachen dabei sein dürfen. 

Also ich habe insgesamt vier Wochen auf der Pädiatrie famuliert, zwei Wochen davon auf der Neonatologie, dann eine Woche auf der Notfallambulanz und eine Woche auf sowas wie „Station“ – auf Spanisch heißt das Consulta. Bei der [Consulta] konnte ich viel rotieren und habe dadurch auch viele Fachbereiche der Pädiatrie abgedeckt. Allergologie, Derma, Infektio, Neuro, Onko, es war ein bisschen was von allem dabei.  

Generell stützt sich der Alltag im Krankenhaus viel auf die Medizinstudent:innen. Deshalb ist man auch fast immer mit mehreren Studierenden gemeinsam im Einsatz. Den Student:innen wird in gewissen Bereichen viel Verantwortung übertragen. Wenn man sich selbst engagiert und sich versucht einzubringen, ist man schnell ein Teil des Teams! Vor allem auf der Neonatologie konnte man viel anpacken und da die Geburten großteils ähnlich ablaufen, hat man schnell eine Routine. Nach zwei bis drei Mal zuschauen, bieten die Ärzt:innen einem die Möglichkeit, selbst bestimmte Aufgaben zu übernehmen. So konnte ich Neugeborene empfangen, (lach) sagt man das so? Ich durfte jedenfalls die Neugeborenen-Untersuchungen leiten, die Vitalität des Kindes beurteilen, die Nabelschnur durchtrennen oder Vitamin K verabreichen. 

Die restlichen zwei Wochen auf der Notfall und Consulta wiederum war großteils klassisch Famulatur, mehr dabei sein und weniger selber anpacken. 

Natürlich herrscht Datenvertraulichkeit, aber kannst du uns erzählen, ob Pädiatrie gleich Pädiatrie ist, oder es doch kulturelle, so wie den klinischen Alltag betreffende Unterschiede gab? 

Die Frage fällt mir etwas schwer zu beantworten, da ich bei uns noch nie auf der Pädiatrie famuliert habe, jedoch sieht man auf jeden Fall dort andere Sachen, als man es an österreichischen Kliniken gewöhnt ist. Ähm… auf der Infektio gibt es eine breitere Bandweite an Fallbildern. Ein Beispiel dafür wäre die Tuberkulose, die bei uns seltener auftritt und dort doch häufiger vorkommt. Auch in Erinnerung blieb mir, dass viele der Patientinnen auf der Neonatologie sehr früh schon mehrere Kinder hatten, 16 bis 18 Jahre bei der Erst-, Zweit- oder Drittgeburt war keine Seltenheit.  

Jetzt ein kompletter Themenwechsel. Auf Famcheck.at gibt es bei Rahmenbedingungen einen Unterpunkt, der heißt: ‚Essen gratis bzw. vergünstigt‘. Und ich muss die Frage lachend stellen, da die mexikanische Küche mit Burritos, Nachos und Tacos bei uns zu Lande doch sehr beliebt ist. Wie war das Essen während deiner Famulatur in Mexiko: Fam Check oder nicht Check? 

Die mexikanische Esskultur ist ja weltweit bekannt. Als Famulant hatte ich keinen Anspruch auf das Kantinenessen, das war nur für PJ aufwärts. Dennoch war eine Mahlzeit nicht weit, denn das Krankenhausareal war von Taco Ständen umringt (lach) und man bekam bei denen für umgerechnet 3-4 Euro eine Mahlzeit mit Getränk – und ja, es war lecker.  

Hygiene-Standards und Schärfegrad des Essens sind bei Reisenden in Lateinamerika oft so ein gefürchtetes Thema. Wie ging es dir dabei?  

(lach) Ja, ich hatte definitiv mit meiner Verdauung zu kämpfen! Circa über meinen gesamten Monat in Guadalajara musste ich mehrmals täglich die Toiletten aufsuchen, aber ich habe auch alle möglichen Straßen-Essensverkäufe ausprobiert – ganz ohne Rücksicht auf Verluste! Plus scharfes Essen schmeckt mir und davon gab es mehr als genug. Nachdem ich an einem Tag im Krankenhaus das dritte Mal von der Toilette kam, erzählten mir die mexikanischen Studenten, die dort arbeiteten, dass mich die Venganza de Moctezuma erwischt hat. Übersetzt die Rache des Moctezumas; so wird dort das eben beschriebene Krankheitsbild an Gringos scherzhaft bezeichnet. 

Einige Eindrücke der mexikanischen Leckereien.
© Marvin Isaar Riedl

Jetzt kommen drei so Ausfüll-Sätze, ähnlich wie in einem Volksschul-Freunde Buch. 
Eine Sache, die du nicht wusstest und jetzt für immer weißt…  

…man muss nicht jeden Taco-Stand ausprobieren. 

Das Uncoolste an dieser ganzen Famulatur war…  

…, dass ich zum Teil eine Sprachbarriere hatte. Vor allem im Krankenhaus ist es in manchen Situationen unvorteilhaft nicht alles zu verstehen bzw. sich nicht mitteilen zu können. 

Das Coolste an dieser ganzen Famulatur war….  

…auf der Neonatologie Neugeborene zu empfangen – der erste Mensch zu sein, den die Kinder erblickten.  

Eine süße Geschichte noch zum Schluss? 

Als ich einmal auf der Kinder-Onkologie war, kam eine Familie, um die Chemotherapie des leukämiekranken Kindes zu besprechen, als plötzlich der Arzt und das Kind anfingen – auf Spanisch natürlich – sich Flachwitze an den Kopf zu werfen. Obwohl ich nur die Hälfte davon verstand, erwärmte es mein Herz zu sehen, wie trotz eines solchen Schicksals, das Kind und der behandelnde Arzt Freude an ihrer Begegnung hatten.   

Speziell für alle, die das vierte Semester noch nicht abgeschlossen haben oder für Famulaturen noch nicht aus dem deutschsprachigen Raum hinaus sind; wie bist du auf diese Klinik gekommen und wo oder bei wem hast du dich gemeldet? 

Das alles lief über das Erasmus-Famulatur-Programm der MUI. Das Krankenhaus in Guadalajara ist eine unserer Partnerkliniken. Ich weiß nicht mehr, mit wem genau ich Kontakt aufnahm, aber das steht alles online. [Link ist für Euch ganz unten eingefügt]  

Wir nehmen an; du hast jetzt angehende Mediziner:innen inspiriert in Mexiko zu famulieren, einen Tipp, den du geben kannst bezüglich Sprache, Stadt, Klinikbereich; was würdest du sagen?  

Ein ausreichendes Niveau der spanischen Sprache ist Grundvoraussetzung, um den Alltag dort zu überstehen. Sowohl im KH als auch im alltäglichen Leben wird fast ausschließlich Spanisch gesprochen.  

Bezüglich des Wohnens würde ich empfehlen, nicht nur nach der günstigsten Option Ausschau zu halten, da es in der Stadt Viertel gibt, in denen man nicht wohnen möchte. Auf jeden Fall davor erkundigen, ob die Wohngegend eine sichere ist! 

Was die Klinik angeht, kann ich Studierende nur dazu ermutigen keine Scheu zu haben. Das dort arbeitende Personal ist sehr hilfsbereit und freut sich anderen etwas beibringen zu können, wenn man Interesse zeigt. 

Und für die Überneugierigen  

Mein Airbnb war für Guadalajara überraschend teuer, ca. 400 Euro für vier Wochen pro Person und wir waren zu zweit. Meine Lebensmittel kaufte ich im Walmart ein, der recht gut südeuropäische Preise widerspiegelt. Was sehr günstig war, war das Street Food. Ja eigentlich… es kam fast günstiger, jeden Tag essen auf der Straße zu kaufen als sich selbst was zu kochen (lacht), an und für sich ein Traum – wäre da nicht die Venganza de Moctezuma. 

 

Das war’s erstmal von unserer Seite.  

Entscheidet selbst, ob im Verlauf von 12 Semestern eine Auslandszeit nicht auch etwas für euch ist!  

P.S: Wenn auch Ihr Auslandserfahrungen gesammelt habt und sie teilen wollt oder einen sonstigen Erzählbedarf stillen möchtet, schreibt uns gerne an oder schaut direkt bei einem unserer Open Meetings vorbei. Unser nächstes Treffen findet am 11. März um 19 Uhr in der StV (3. Stock in der FP3) statt 

 

Na dann, ¡hasta luego! 

Euer Medicus 

Weiterführendes

 

Ana

Ana

Redakteurin

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