Thema, Kardiologie

Die Wasabi-Paste

28. Feber 2021
Scharf, schärfer, Kardiomyopathie: Warum dein nächster Sushi-Restaurantbesuch dein letzter sein könnte!
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von Melanie Naomi Bauer

Im Soroka University Medical Center der Stadt Beer Sheva in Israel trug sich ein skurriler Fall zu. Eine 60-jährige Patientin kam mit Schwächegefühl und generellem Unwohlsein in die Notaufnahme.

Sie berichtete, am Vortag ein Druck- und Engegefühl in der Brust gespürt zu haben, das aber nach einigen Stunden nachließ.
In der Anamnese erzählte die Patientin, sie sei am Tag zuvor auf einer Hochzeit gewesen. Die Schmerzen hätten wenige Minuten, nachdem sie eine größere Menge einer grünen Creme gegessen hatte, eingesetzt. Sie ging zunächst davon aus, dass es sich dabei um eine Avocadocreme handele. Schnell stellte sie allerdings – aufgrund des eindrücklichen Schärfegefühls – fest, dass es eigentlich eine Wasabi-Paste war.

Als Leitsymptom des Myokardinfarkts lässt das thorakale Engegefühl eventuell voreilig auch darauf schließen. Tatsächlich wurden die Beschwerden in diesem Fall jedoch durch die verzehrte Wasabi-Paste bzw. durch den mit dem Schärfegefühl verbundenen Stress ausgelöst, der im Körper zu einer erhöhten Adrenalin-Ausschüttung führte. In Folge des enormen Adrenalin-Überschusses kam es dann zur sogenannten Takotsubo-Kardiomyopathie.

Bei der Takotsubo-Kardiomyopathie, Stresskardiomyopathie oder Broken-Heart-Syndrom, handelt es sich um eine akute, meist reversible Kardiomyopathie, die vor allem eine linksventrikuläre Dysfunktion beschreibt. Sie tritt häufig im Zusammenhang mit enormem Stress oder Trauer, wie zum Beispiel nach Schicksalsschlägen auf. Dabei sind vor allem Frauen über 60 Jahren betroffen.
Die Takotsubo-Kardiomyopathie ist gekennzeichnet durch eine Kontraktionsstörung des linken Ventrikels und dessen dadurch verursachte ballonartige Verformung, welche die japanischen Wissenschaftler:innen an eine Tintenfischfalle („Takotsubo”) erinnerte. Die Verformung entsteht durch die Dilatation der apikalen Anteile des linken Ventrikels und der Kontraktion auf Höhe der Herzklappen.
Neben der Anamnese: „Akuter Stress und Belastung“ – in diesem Fall die sehr scharfe Wasabi-Paste – sind das EKG (ST-Hebung und T-Inversion), Laborparameter (Anstieg von Troponin, BNP, NT-pro-BNP), die Echokardiografie und Linksherzkatheter-Angiografie bzw. Ventrikulografie (ballonartige Verformung des Herzens, reduzierte linksventrikuläre Funktion sowie Hypo- bis Akinese in apikalen Anteilen des linken Ventrikels) und die Koronarangiografie (Normalbefund zum Ausschluss eines Myokardinfarkts) wegweisend für die Diagnose.
Als Behandlungsstrategie wählten die Ärzt:innen in diesem Fall ACE-Hemmer, Beta-Blocker und Aldosteron-Antagonisten sowie die Überweisung an ein Rehabilitationszentrum.
Bezüglich des Pathomechanismus wird vermutet, dass es aufgrund einer erhöhten sympathischen Aktivität zu dem zuvor bereits erwähnten Anstieg von Katecholaminen kommt. Dies hat eine mikrovaskuläre Dysfunktion sowie einen intrazellulären Kalzium-Anstieg mit einhergehender kardialer Dysfunktion (B1-Adrenozeptor Signalweg) zur Folge. Allerdings konnten Wissenschaftler:innen in Tierversuchen darstellen, dass die Verformung des Herzens vermutlich einen protektiven Effekt hat und das Herz vor Schäden durch die Stresshormone schützt. Der für die Veränderungen am Herzen verantwortliche molekulare Mechanismus wurde bei den Tieren gehemmt, woraufhin diese verstarben.

Richtig erkannt und behandelt, hat die Takotsubo-Kardiomyopathie allerdings eine sehr gute Prognose. So zeigten auch bei dieser Patientin die Nachsorgeuntersuchungen nach einem Monat bereits wieder eine normale linksventrikuläre Funktion.

MRT Video einer apikalen Takotsubo CMP. © mit freundlicher Genehmigung der Univ.-Klinik für Radiologie Innsbruck. 

Quellen:

Melanie

Melanie

Chefredakteurin