Freizeit

Erster Arbeitstag im Narrenturm 

15. Juni 2024

Wir haben euch bereits mit unseren 20 Seku-Ratschlägen ein Repertoire an nützlichen Hilfsmitteln geliefert, um den Sezierkurs zu überstehen. Aber was macht man, wenn danach eine Leere übrigbleibt, hinterlassen von sonst erfüllten Stunden des Lernens und Paukens und “Fett-Schnipselns”? Ganz einfach: Urlaub und natürlich mehr Anatomie. 

von Nora Nicolussi Moz und Sofie Nagele

Anno 1785 

Ich bin ganz schön nervös. Mein erster Arbeitstag als Arzt im Narrenturm. Ich stehe vor dem Gebäude, das vor einem Jahr als eine der ersten psychiatrischen Kliniken weltweit im Auftrag von Joseph II erbaut worden ist (ich habe mich etwas eingelesen, um Eindruck zu schinden). Ein Arzt holt mich am Eingangstor des Turmes ab und nimmt mich auf einen Rundgang durch die Heilanstalt mit. Dabei sehe ich die kleinen Einzelzellen, genauer gesagt 28 pro Stock, 5 Stöcke an der Zahl. Die Architekten haben sich wohl am Mondmonat von 28 Tagen orientiert, da geistige Krankheiten ja mit dem Mond zu tun haben könnten. Dann darf ich bei meinen ersten Behandlungen dabei sein: Aderlass, Brech- und Abführmittel, Diäten, kalte Güsse, Eiswasserklistieren und Wasserheilkunde. Alles im Versuch, den armen Irren zu helfen. Eine Krankenschwester erzählt mir, dass die friedlicheren Patient:innen sich außerhalb der Behandlungen frei im Haus bewegen und sogar beschützt vor den Blicken der Gesellschaft im ummauerten Garten spazieren gehen dürfen. Die anderen, „tobenden“ und „unreinen“ Patienten hingegen werden angekettet oder sogar in eine Zwangsjacke gesteckt. Nun ist mein erster Arbeitstag in der Irrenanstalt auch schon zu Ende.  

Ich frage mich wirklich, ob all diese Behandlungen wirklich zielführend sind, aber unser Kaiser Joseph II unterstützt dieses moderne Konzept der Behandlung von Geistesgestörten und nicht nur deren Ausgrenzung vollkommen, dann will ich dies auch tun!  

 

Der Narrenturm im 19. und 20. Jahrhundert:

  • 1853 wurde als Ersatz des Narrenturms die neue «k.k. Irren- Heil- und Pflege-Anstalt» auf dem «Bründlfelde» errichtet, gleichzeitig wurden auch noch einige Patient:innen bis 1869 Patient:innen im «Narrenturm» untergebracht.  
  • ab 1869: Ende der Nutzung des Gebäudes als Heilanstalt 
  • Handwerker:innen und weltliche Krankenpfleger:innen und Ärzt:innen (ab 1920) als Zwischenmieter:innen des Gebäudes 
  • ab 1971 Narrenturm als Museum für Pathologieheute Teil des Naturhistorischen Museums 

 

Das Pathologisches Museum heute 

Anno 2022 

Nach dem großen Seku brauchen wir zwar eigentlich eine Pause von der Anatomie, aber gleichzeitig lassen uns die ganzen Arterien und Nerven und Mesos einfach nicht los. Also machen wir uns auf den Weg nach Wien und denken uns, bei dieser Gelegenheit können wir doch unser neu erworbenes und – noch – nicht vergessenes Anatomiewissen nutzen und besuchen nun dort das Pathologische Museum.  

Das obere Stockwerk ist nur mit einer Führung zugänglich. Die Präparate dort können nämlich auf die Besucher:innen verstörend wirken. Außerdem werden diese leicht kaputt. Die Instandhaltung dieser ist um einiges aufwendiger, als man es sich erwarten würde, denn sie müssen regelmäßig geputzt werden.  

Wir sehen einen Situs inversus, Schädel, einen Magen gefüllt mit Haaren und Stroh, eine luftballongroße Zyste eines Ovars, und eine riesige Sammlung von dermatologischen Wachspräparaten, der ganze Stolz der pathologischen Sammlung Wien. 

Nach einer Stunde (die uns viel zu kurz vorkommt) können wir uns noch im unteren Stock frei bewegen und uns die dortigen Ausstellungsstücke anschauen und auch die interaktiven Angebote nutzen, z.B. verschiedene Lungengeräusche anhören oder ein Skelett zum Tanzen bringen.  

Nach unserem Besuch verlassen wir das Museum und blicken an den Außengemäuern des Narrenturms hoch, über welche wir auch einen Fun-Fact erfahren haben: Weil immer wieder Spanner die Präparate der Ausstellung begaffen wollten, mussten die unteren Stockwerke glatt verfugt werden, damit sie nicht mehr raufklettern konnten.  

Zum Glück ist das heute nicht mehr nötig, denn zum Bewundern der Ausstellung kann man einfach den Narrenturm, von den Wiener:innen auch liebevoll Gugelhupf genannt, besuchen! 

Nora

Nora

Redakteurin

Sofie

Sofie

Redakteurin