Uni, Event-Check

Das Symposium der Musiker:innenmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck

29. Mai 2025
Mozart und Medizin? Der Audimax durfte am 21. Mai 2025 Schauplatz für beides sein: Im Rahmen eines ganz besonderen Symposiums feierte das Netzwerk Musiker:innenmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck vergangenen Mittwochabend seine Premiere.
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von Leonie Jochum

Dieses Netzwerk ist als erste Kooperation ihrer Art zwischen der Universität Mozarteum Salzburg unter Rektorin Prof.in Gutjahr und der MUI im Jahr 2024 entstanden, wie Rektor Univ.-Prof. Dr. Fleischhacker in seiner Eröffnungsrede stolz betonte. Von klassischen Klängen eingestimmt, folgte ein Abend mit Fachvorträgen von Expert:innen der Hochschule Hannover, der Innsbrucker Uniklinik sowie des Mozarteums. Musikalisch verwöhnten Studierende der Universität Mozarteum am Standort Innsbruck und des Tiroler Landeskonservatoriums.

 

Das Netzwerk für Musiker:innenmedizin vereint Ärzt:innen und Therapeut:innen aus verschiedensten Fachrichtungen der Universitätsklinik – mit dem Ziel, eine umfassende Diagnostik und individuell abgestimmte Therapien für Musiker-spezifische Krankheitsbilder anzubieten. Dadurch werden vielfältige Behandlungsmöglichkeiten sowie Präventionskonzepte ermöglicht.

Grundstein des Netzwerks war die Zusammenarbeit von Univ.-Prof.in Dr.in Graf, damals Leiterin der Sektion Phoniatrie an einer Münchner Klinik, und Prof. Dr. med. Lee, Institut für Musikphysiologie und Musiker-Medizin an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. Heute bringen 12 Netzwerkpartner der Medizinischen Universität Innsbruck und der Tirol Kliniken ihr Wissen in das Netzwerk ein, das sich auf die drei zentralen Säulen Forschung, Lehre und Klinik stützt.  

Fleischhacker

Eröffnungsworte von Rektor Fleischhacker.  © Medicus. 

Univ.-Prof.in Dr.in Graf, Universitätsklinik für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen, und Univ.-Prof.in Mag.a art Gabbe führten durch den Abend.

Im Zuge ihres Vortrages „Wozu brauchen wir Musiker:innenmedizin?“ präsentierte Prof.in Gabbe die speziellen Belastungen, denen Musiker:innen ausgesetzt sind. Ungünstige Instrumentenergonomie und der Perfektionsanspruch im internationalen Wettbewerb führten zu körperlichen und emotionalen Belastungen und bewirkten eine erhöhte gesundheitliche Vulnerabilität der Musiker:innen, ähnlich wie dies bei Profisportlern der Fall sei. Im Gegensatz zur Fachrichtung Sportmedizin, die mittels Prävention, Diagnose und Therapie für die physische und psychische medizinische Betreuung der Sportler sorgt, gebe es für Musiker kaum unterstützende Anlaufstellen. Beide Patientengruppen müssten Höchstleistungen bringen, viele davon seit frühester Kindheit. Eine einseitige Beanspruchung des Körpers während der vulnerablen Wachstumsphase und darüber hinaus verlange physiotherapeutische und ergotherapeutische Unterstützung sowie Coaching und Körperwahrnehmungstechniken für die mentale Stärke, ob es sich um ein Turnier oder einen Bühnenauftritt handle. Das Netzwerk hat sich zur Aufgabe gesetzt, diese Lücke mittels Interdisziplinarität und Interprofessionalität zu füllen.  

Das Mozarteum bietet seinen Studierenden für die Gesundheitsvorsorge bereits einen Katalog an Schulungen an, darunter somatische Methoden, Atem- und Körperschulung, Wettbewerbs-Coaching, Musikphysiologie sowie Yoga; und arbeiten bei Bedarf interdisziplinär mit Fachleuten aus der Neurologie, Psychiatrie und physikalischen Medizin. 

Die Veranstaltung war sehr gut besucht. Zwischen den Vorträgen wurde selbstverständlich auch Musik gespielt.  © Medicus 

Prof. Lee referierte über Die Schattenseite der Muse: Aufgabenspezifischer Tremor bei Musizierenden und erläuterte seine Studien zu Phänomenologie, Pathophysiologie, Epidemiologie und Therapie von Tremoren. Zu einem sehr hohen Prozentsatz seien Streicher von aufgabenspezifischem Tremor, kurz TST, betroffen, der als „unwillkürliche, rhythmische, oszillierende Bewegung“ beschrieben wird. Dieser Tremor, der zu 80% Männer betrifft, ist aufgabenspezifisch und kontext-unabhängig. 

Am häufigsten tritt er in der Form des primären Schreibtremors, kurz PWT, auf. Dabei werden zwei Formen unterschieden: Typ A aufgabeninduziert (bei der Ausführungshandlung) und Typ B positionsspezifisch (wenn die betroffene Extremität in die spezifische Position gebracht wird). Der bei Musizierenden verbreitete primäre Bogentremor zählt zu Typ B. 

 

TST ist eine neurologische Erkrankung, die sich auf pathologischer Ebene in einer reduzierten Konnektivität zwischen den sensomotorischen Arealen manifestiert. Unter den verschiedenen Risikofaktoren sei das Übeverhalten jenerRisikofaktor, der am besten beeinflussbar sei.  

Musik

© Medicus

Mag. Dr. Weber von der Universitätsklinik für Hör, Stimm- und Sprachstörungen sprach über den Einfluss von Hörstörungen auf die Musikwahrnehmung. Er spannte den Bogen von Problemen der Schall-Zufuhr zur Frequenzverteilung der Cochlea/Tonotopie und weiter bis zur Lärmschwerhörigkeit, welche von der Höhe des Schallpegels und der Dauer der Belastung abhängt. Durch die Dauerbelastung im Orchestergraben mit potenziell gehörschädigenden Schallpegeln hätten Berufsmusiker ein 3-4 Mal höheres Risiko, an einer Lärmschwerhörigkeit oder an Tinnitus zu erkranken.

© Medicus (Bild 1); © HSS Klinik Innsbruck (Bild 2 + 3) 

Dr. Dobner vom Institut für Physikalische Medizin und Rehabilitation Innsbruck hielt einen Vortrag zu Unbeschwert Musizieren – Was Physikalische Medizin dazu beitragen kann“. Mehr als drei Viertel der Berufsmusiker würden an „musculoskeletal disorders leiden, die in der musikerspezifischen intersektionalen Belastung aus unergonomischer Körperhaltung, landdauernder Haltearbeit, hochgradig repetitiver, rascher und präziser Bewegung der Hände und zu wenig Regeneration im Vergleich zur Belastungsdauer ihren Ursprung hätten. Das Paradigma „Musik über alles“ führe zu einem Missverhältnis von Belastbarkeit zu Belastung, das sich dann in medizinisch signifikanten Dysfunktionen niederschlage.

 

Insgesamt lässt sich sagen, dass das breite Spektrum an Beschwerden ein ebenso breites Spektrum an Therapieformen erfordert. Sei es nun Manualmedizin, Ergotherapie, Physikalische Modalitäten, Logopädie oder präventive Frühförderung in Hinblick auf die Koordination, Ausdauer, Kraft und Regeneration, welche beim Musizieren im professionellen Bereich erforderlich ist.  

 

Kontakt: www.i-med.ac.at/musikermedizin/ 

Die Veranstalter des Symposiums  © Medicus

Leonie Jochum

Leonie Jochum

Redakteurin

Die Bild- und Inhaberrechte liegen bei Leonie Jochum, Nicolas Bauder sowie der HSS Klinik Innsbruck.

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