Thema, Frauenrechte, Feminismus, Kommentar

Selbstbestimmte Schwangerschafts
-abbrüche

11. April 2021
Ein kontroverses vielfach tabuisiertes Thema.
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von Clara Valio Ottowitz

Während meiner Recherche war auffallend, dass eine Google-Suche kaum sachlich neutrale medizinische Fachliteratur vorschlägt. Man wird vielmehr mit verschiedensten Stellungnahmen zu diesem Thema konfrontiert. Aber ist die Meinung anderer in diesem Kontext wirklich relevant, wenn eine Frau in ihrer individuellen Situation aus welchen Gründen auch immer einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung zieht?

Jede Person sollte sich ihre eigene Meinung zu Schwangerschaftsabbrüchen bilden können. Trotzdem darf eine Entscheidung zum Abbruch nicht verurteilt, sondern sollte respektiert und idealerweise unterstützt werden. Am wichtigsten ist es deshalb, aufgeklärt und informiert zu sein. Die gesetzlichen Gegebenheiten und insbesondere die möglichen Verfahren finden in der Regel zu wenig Beachtung und werden deshalb in diesem Artikel kurz erläutert.

Die gesetzliche Lage

Nach österreichischem Gesetz wird der Beginn einer Schwangerschaft mit abgeschlossener Einnistung der Blastozyste in die Gebärmutter festgelegt. Es gibt die sogenannte Fristenlösung. Frauen dürfen eine Schwangerschaft ohne medizinische Indikation bis zum dritten Schwangerschaftsmonat straffrei abbrechen, wenn sie sich davor einer ärztlichen Beratung unterzogen haben und der Abbruch von einer Ärztin oder einem Arzt durchgeführt wird. Die Kosten werden nicht von der Krankenkasse übernommen und können zwischen 350€ und 800€ liegen.

Ein Schwangerschaftsabbruch nach dem dritten Monat ist nur dann möglich, wenn


  • Gefahr für seelische oder körperliche Gesundheit oder das Leben der Schwangeren besteht,
  • von einer schweren geistigen oder körperlichen Behinderung des Kindes ausgegangen wird,
  • die Frau, als sie schwanger wurde, das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.


Ab dem 14. Lebensjahr ist eine Zustimmung der Erziehungsberechtigten nicht nötig, die Einwilligung ist von der Jugendlichen selbst möglich. Außerdem sind Ärzt:innen nicht verpflichtet, Abbrüche durchzuführen, außer die Schwangere befindet sich in Lebensgefahr.

Wege des Schwangerschaftsabbruchs

Der medikamentöse Abbruch:
Er ist mit einem Spontanabort vergleichbar. Zuerst wird der Progesteronantagonist Mifepriston eingenommen. Dadurch wird die Wirkung des schwangerschaftsfördernden Gelbkörperhormons Progesteron aufgehoben und die Gebärmutterschleimhaut und der Fruchtsack mit dem Embryo lösen sich ab. Nach zwei Tagen wird dann das Prostaglandin Misoprolol verabreicht. Als Folge kontrahiert sich die Gebärmutter, der Gebärmuttermund öffnet sich und die Gebärmutterschleimhaut und die Fruchtblase mit dem Embryo werden ausgestoßen. Dabei kann es zu starken unterschiedlich langanhaltenden Blutungen kommen, die von Krämpfen, Durchfall und Kreislaufproblemen begleitet werden können. In diesen Fällen wird eine Schmerzmitteleinnahme empfohlen. Sicherheitshalber wird davor und ein paar Tage danach eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt, um beispielsweise eine Eileiterschwangerschaft auszuschließen und um festzustellen, dass es auch wirklich zum Abbruch gekommen ist.


Der chirurgische Abbruch:
Bei diesem Verfahren, das nur einige Minuten dauert, kann entweder eine örtliche Betäubung oder eine Vollnarkose in Anspruch genommen werden. Der Standard unter den chirurgischen Abbrüchen ist die Absaugung, die sog. Vakuumaspiration. Nachdem der Muttermund auf einige Millimeter dilatiert wurde, wird ein Plastikröhrchen durch die Gebärmutterhöhle eingeführt. Durch rotierende Bewegung des Röhrchens werden die Gebärmutterschleimhaut und Fruchtblase mit Embryo oder Fötus abgesaugt. Auch hier wird davor und unmittelbar danach ein Ultraschall durchgeführt. Außerdem kann Misoprostol verabreicht werden. Das Prostaglandin führt zur Erweichung und Öffnung der Zervix sowie Kontraktion des Myometriums.

Statistiken

Seit circa Mitte des letzten Jahres steht es auch niedergelassenen Gynäkolog:innen zu, die Medikamente für einen Abbruch auszugeben. Bei der Recherche bin ich dabei auf einen Artikel von Max Eberle gestoßen. Er berichtet, dass bei 50 Arztpraxen in Tirol angefragt wurde, ob sie Mifegyne bei ungewollten Schwangerschaften einsetzen würden. „Bei 50 Anfragen gibt es kein einziges Ja, 24 Mal ein deutliches Nein, eine Person denkt noch drüber nach. Die restlichen ÄrztInnen geben auch nach mehrmaligen Anfragen per Mail oder Telefon keine Antwort oder verweigern in fünf Fällen sogar ausdrücklich die Auskunft. […]“1 In ganz Tirol gibt es einen einzigen Arzt, der offen über Schwangerschaftsabbrüche spricht.2


In Österreich gibt es keine offiziellen Zahlen, da Schwangerschaftsabbrüche nicht meldepflichtig sind. Es handelt sich je nach Stellung der Person zum Thema um verschiedenste Schätzungen bzw. Spekulationen, welche folglich eine sachliche Debatte durchaus erschweren können. Der Nutzen von Statistiken ist zweideutig: Einerseits wird dadurch mehr Transparenz geschaffen, gleichzeitig können sie auch von „Abtreibungsgegner:innen“ instrumentalisiert werden. Statistiken können eine Möglichkeit sein, um eine Grundlage für zielgruppengerechte Prävention zu schaffen. Aber auf der anderen Seite sollte doch klar sein, was Abbrüche reduzieren könnte: familienfreundliche Arbeitsbedingungen, mehr Kinderbetreuung, soziale sowie finanzielle Absicherung von Frauen und Kindern, Mitverantwortung der Väter…
Könnte eine geschlechtergerechte Gesellschaft vielleicht Schwangerschaftsabbrüchen entgegenwirken!?


Die wichtigsten aller Grundlagen zur Prävention bleiben meines Erachtens gründliche Sexualaufklärung und einfacherer Zugang zu sicheren und vor allem leistbaren Verhütungsmethoden (idealerweise mit einer größeren Auswahl für Männer).


Zum Abschluss möchte ich eine Ansage aus dem Tagesspiegel von Andrea Dernbach zur gesetzlichen Lage in Deutschland zitieren, bei der übrigens im Unterschied zu Österreich Ärzt:innen Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen von Schwangerschaftsabbrüchen aus finanziellem Vorteil heraus untersagt wird:


„Wie immer man oder frau die Frage beantwortet, wann menschliches Leben beginnt: Es ist nicht möglich, den Embryo gegen die Frau zu schützen, die ihn in sich trägt – außer indem man sie bevormundet, ihr Mündigkeit abspricht, ihr Tun moralisch abwertet. Wenn man sie schon nicht mehr wie in andern Teilen der Welt drakonisch bestrafen kann. Mag das Patriarchat noch so abgewirtschaftet haben, sein Geist weht weiter. Leider auch in diesem Gesetzentwurf.“3

Quellen:

Clara

Clara

Redakteurin