Interview mit Dr. med univ. Hannes Stofferin
Was hat Sie in die Anatomie nach Innsbruck geführt?
Innsbruck war für mich eher naheliegend, bin ja gebürtiger Südtiroler aus der Wein- und Burgenregion Eppan und ich wollte nach dem Studium schon präferentiell hierbleiben. Während des Studiums wollte ich immer in die Schweiz oder nach Deutschland und das hat sich dann aber geändert. Weniger wegen Privatem, sondern Innsbruck gefällt mir von der Größe her sehr gut; es ist eine kleine Stadt.
Bevor ich Medizin studiert habe, war ich in Mailand und habe Pharmazeutik gemacht. Mailand ist eine richtige Großstadt und da habe ich gemerkt: Ein Junge vom Land ist besser im Ländlichen aufgehoben.
Deshalb wollte ich in Innsbruck bleiben und wollte immer Allgemeinchirurgie machen oder Handchirurgie – also Unfall oder Plastische, das war mir egal – aber im KPJ habe ich schon gemerkt… Ich war im Studium Tutor in der Anatomie und ich habe gemerkt, dass es mir persönlich mehr gibt, wenn ich an mehr Leute etwas weitergeben kann, zwar dann nicht individuell jemandem helfen kann. Weil irgendwo klassisch klinisch arbeiten… Mir gefällt‘s besser, systemtechnisch zu arbeiten, dass ich sagen kann: (Ob das nun ein guter oder schlechter Einfluss ist, sei dahin gestellt), dass ich Einfluss auf mehr Leute habe, sodass ich sagen kann, ich unterrichte jetzt 60 oder 70 Leute…
Sie sehen ja auch „Mors auxilium vitae“ als Zeichen an der Anatomie und man hat als Anatom zwangsläufig viel mit toten Menschen zu tun, wie hat Sie das – wenn überhaupt – verändert?
Relativ wenig, ehrlich gesagt. Im Studium, zum Beispiel beim Gerichtsmedizinpraktikum, hat mich nie der Umgang mit toten Menschen gestört. Es ist auch ein großer Unterschied auf der Anatomie, weil wir weniger akut mit dem Schicksal des Individuums zu tun haben. Wir telefonieren zwar in der Rufbereitschaft mit den trauernden Angehörigen, sind aber nicht persönlich involviert. Außerdem – zum Glück, muss man sagen – sind die meisten Körperspender:innen ältere Personen, die ihr Leben schon „gelebt“ haben, das macht es sicher auch leichter. Das heißt, ich sehe in meiner Tätigkeit keine Tragik, sondern die Freude über den Tod hinaus am Menschen zu arbeiten. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass man sich der Endlichkeit des Lebens auch bewusst ist. Ich bin der Meinung, dass dies heute in der Ausbildung der Ärzt:innen zu kurz kommt, wie man schlechte Nachrichten überbringt und wie man im Akutfall mit den Trauernden umgeht und dass auch in der Gesellschaft der Tod zu viel tabuisiert wird – im Sinne von abgeschoben wird. Das Thema Trauer, auch der Genderaspekt hiervon, kommt meiner Meinung nach viel zu wenig im Studium vor.
Es gibt so viele Leute, die ganz allein in der Klinik, im Altersheim oder in ihren Wohnungen allein versterben und ich glaube, dass die Arbeit mich in dem Sinne geprägt hat, dass man vielleicht auch eine Balance finden muss. Sicher auch den Abstand, weil wir arbeiten an Präparaten irgendwo… Es gibt sicher Leute, die das als Metzgerei betrachten, je nachdem, ob man das gut oder schlecht macht.
Ich finde es insgesamt aber schön, deswegen ist „Mors auxilium vitae“ ein sehr aktuelles Motto, weil wir dienen ja den Menschen noch, die sich zu Lebzeiten entschieden haben, dass ich und die Medizinstudierenden in Innsbruck noch etwas lernen können. Das heißt, die Menschen überlegen sich: Ich möchte nicht nur im Grab liegen, sondern ich möchte noch ein Geschenk machen, dass die nächste Generation an mir noch `was lernen kann. Es ist wichtig, dass die Anatomie dies hochhält, aber ich würde jetzt nicht unbedingt sagen, dass mich der Umgang mit toten Menschen großartig verändert hat. Ich glaube eher, dass die Telefonate mit den Angehörigen beitragen einen gewissen Umgang mit den Trauernden zu finden.
Finden Sie, dass es leichter wird mit Erfahrung?
Ja sicher, die Menschen haben ja unterschiedliche Reaktionen. Es kommt auch darauf an, ob jemand unerwartet stirbt oder nicht. Es gibt Angehörige, die am Telefon in Tränen ausbrechen, aber umso wichtiger ist es, die Leute entsprechend zu beruhigen und zu bestärken, dass der letzte Wille des Verstorbenen noch umgesetzt wird. Was auch schon vorkommt, ist, dass teilweise die Angehörigen nicht ganz so einverstanden sind mit der Entscheidung und lustigerweise ist es nie schwierig die dann, bei entsprechender Information, zu überzeugen den Wunsch des Verstorbenen zu respektieren. Da wir das Gefühl vermitteln, dass wir ihnen noch diesen Dienst erweisen können. Aber sicher, umso mehr man solche Gespräche führt, sammelt man mit der Zeit einen gewissen Erfahrungsschatz.
Sie haben jetzt recht löblich über die Körperspende geredet, könnten Sie es sich bei Ihrem Ableben selbst vorstellen?
Ja sicher, ja sicher … Ich bin unschlüssig, ob ich mich für den Sezierkurs zu Verfügung stellen will, weil ich möchte gerne, dass man mich zu einem Skelett macht; das hat jetzt eher einen praktischen Grund (lacht). Also ich sag‘ mal so: Man müsste es so festlegen, dass man mein Skelett noch ganz lässt…
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… Ich esse gerne Fleisch, aber ich kaufe nur nachhaltiges Fleisch aus der Region vom Metzger in Sistrans. Ich schneide das Tartar immer selber mit dem Messer… Ich würze ihn immer so ab: Salz, frisch gemahlener schwarzer Pfeffer, Ketchup, Senf, Cognac, Tabasco, Zitrone, biss‘l Gurke, Zwiebel, Kapern, teilweise einen Schuss Sojasauce verträgt‘s dann auch und immer mit frischem Ei, das ist wichtig. Die Schwierigkeit ist beim Schneiden, dass man ihn immer so schneidet, dass es streichfähig wird, aber zugleich nicht breiig. Das ist auch der Unterschied, als wenn man es durch den Fleischwolf dreht… Das Mundgefühl muss so sein, dass man die Einzelkomponenten identifizieren kann, es aber trotzdem zu einen runden Geschmackserlebnis kommt.
Ich mache es nur mit dem Messer, es gibt auch Zupfzangen; aber das geht ganz gut mit dem Messer. Das Fleisch muss gut abgehangen sein, sonst funktioniert es nicht so gut – gutes Rindfilet möchte man schon roh essen – so muss die Qualität sein. Prinzipiell koche ich sehr gerne, das sieht man vielleicht auch (lacht). Bei Fleisch, da geht schon was weiter…
Wenn Sie Werbung machen müssten für die Anatomie, würden Sie sagen, das schönste an diesem Beruf ist die interdisziplinäre Arbeit mit anderen Fächern und dass man viel Forschung betreiben kann?
Ja in der Forschung kann man sehr interdisziplinär arbeiten und der Hauptteil ist sicher, dass man Lehre machen kann und dadurch immer in Kontakt mit jungen Menschen steht. Und eigentlich trotz des Kontaktes mit dem Tod, doch viel Freude von den Studierenden erfährt. Dadurch kann man sie ein Stück positiv beeinflussen und begleiten. Dies macht die Anatomie einzigartig, für jemanden der gern Lehre oder Forschung macht und die Zeit dafür haben will, ist es sicherlich der Beste Job, den man haben kann. Neben der Klinik ist es oft schwierig sich die Zeit für Forschung und Lehre zu nehmen. Über die freie Zeiteinteilung brauchen wir gar nicht reden. Diese ist superangenehm. In der Anatomie kann man viel selbstständig arbeiten, was man aber auch mögen und können muss. Aber man kann selbst gewisse Projekte in bestimmten Zeiträumen umsetzen, wenn man das mag. Manche mögen es lieber nach einer genauen Zeiteinteilung zu arbeiten und dass die Arbeitsaufträge von oben kommen – die sind dann sicher besser auf der Klinik aufgehoben.
Was können sich die Studierenden vom Sezierkurs im nächsten Jahr erhoffen? Bleibt der ungefähr gleich wie dieses Jahr?
Der bleibt ungefähr gleich. Wir sind in den Startlöchern für ein größeres Digitalisierungsprogramm mit dem Herrn Vizerektor Prof. Prodinger. Prinzipiell wird der Sezierkurs, was die Aufteilung angeht, gleichbleiben. Ich werde aber versuchen, dass wir mehr Unterstützung, mittels digitaler Unterlagen, Vorlesungen und Präpariervideos, sofort nach Studiumsbeginn geben können. Ich möchte das gerne bisschen professioneller und geordneter aufbauen, sodass sich die Studierenden zu jeder Tageszeit damit befassen können und dann auch vielleicht besser vorbereiten können. Aufgrund der Studienplanumstellung schätze ich sicher, dass die Eingewöhnungsphase vorbei ist.
Wenn Sie retrospektiv das letzte Jahr mit den vorherigen vergleichen, was wäre so Ihr Fazit?
Jeder Anfang ist schwer. Das glaub ich trifft‘s am besten. Ich hätte aber nicht das Gefühl, dass die Leute schlechter oder besser sind, sondern eher im Schnitt gleich. Man merkt schon, vor allem im großen Sezierkurs, den Unterschied des einen Studienjahres. Es geht weniger um das anatomische Wissen oder die Lehrziele, sondern die Leute müssen schneller erwachsen werden. In dieser kurzen Zwischenzeit, in der das Studium beginnt und sie Vollgas geben müssen, muss man selbstständiger sein. Dies ist glaube ich zumindest der größte Unterschied zu den vergangenen Jahrgängen. Ich glaube wir müssen uns darauf konzentrieren, die Leute was das angeht, psychologisch mehr abzuholen. Das wird sicher eine enorme Aufgabe, da der große Sezierkurs jetzt das erste große Praktikum ist, welches von den Student:innen besucht wird. Wir haben schon viel Kritik darüber gehört, aber die Universität hat sechs Jahre lang versucht, den Studienplan umzustellen. Ich persönlich war nicht daran beteiligt und hätte vielleicht einige Sachen anders gemacht. Aber man muss sich mit den anderen Fächern irgendwo treffen. Denn jeder findet sein Fach als wichtigstes, obwohl wir immer noch gleich viele Stunden haben. Prinzipiell macht das Motto: „Morphologie vor Funktion“ für die Studienplanumstellung schon Sinn und ich sehe das nicht so kritisch wie viele andere. Ich denke man muss die Leute bisschen besser und früher darauf einstellen und abholen, auch im psychologischen Sinne. Da muss man sich noch ein Konzept dafür überlegen, wie man die Leute dazu bringt, dies auch zu machen. Man hat schon gemerkt, dass die Leute weniger vorbereitet waren, aber ich glaube das ist ein neues Problem, welches anderweitig gelöst werden muss.
Wie würden sie die Zukunft des Sezierkurs sehen?
Ich bin sehr stark davon überzeugt, dass das praktische Arbeiten in dem Sezierkurs den Leuten sehr viel bringt. Ich halte daher auch sehr wenig von diesen Anatomage Tischen – wenn diese denn das praktische Arbeiten ersetzen. Ansonsten gerade als Vorbereitung, sind sie natürlich super. Ich glaube außerdem, dass man die Mittel, welche die Universität zur Verfügung stellt, ausbauen muss und in diesem Sinne digitalisieren. Außerdem wäre eine noch nähere Vernetzung zur Bildgebung ebenfalls ein Thema. Ich glaube auf jeden Fall nicht, dass man den Sezierkurs nur digital abhalten kann. Wobei sich diese 2 Bereiche natürlich ergänzen können und sollen. Das Ziel eines Sezierkurses ist nicht das Lernen, sondern das Erfahren von Anatomie.
Luc Adrian
Redakteur
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