Thema, Essen, Wissenschaft

Diabetes und Ramadan  

28. Feber 2025
Immer häufiger hört man, fasten sei gesund – Konzepte wie Intervallfasten, Heilfasten oder 1-Tag-Fasten kursieren auf jeglichen Internetplattformen und preisen vielversprechende Gesundheitseffekte an. Was ist aber, wenn die eigene Stoffwechsellage nicht ganz so funktioniert, wie sie das eigentlich sollte? Ist das Fasten dann immer noch gesund? Oder kann es sogar vielleicht gefährlich sein?
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von Emma Wenzel

Fragen, mit denen sich insbesondere Menschen auseinandersetzen müssen, die an Diabetes leiden und am sogenannten muslimischen Fastenmonat Ramadan teilnehmen möchten. Der Ramadan gilt als heiliger Fastenmonat der Muslim:innen und bildet eine der fünf Säulen des Islam. Jedes Jahr für 29-30 Tage, immer im neunten Monat des sogenannten Mondkalenders, wird zwischen der Morgendämmerung (Sahur) und dem Sonnenuntergang (Iftar) gefastet. Für alle Muslim:innen ist dieser Fastenmonat ab dem Pubertätsalter obligatorisch. Prinzipiell ist eine Befreiung aufgrund von Krankheit möglich, jedoch möchten viele Menschen trotz gesundheitlicher Probleme häufig am Ramadan teilnehmen.

Wenn man als Arzt oder Ärztin gefragt wird, ob es möglich ist, trotz einer diabetischen Erkrankung am Ramadan teilnehmen zu können und was eventuell beachtet werden sollte, wie ist hier die beste Vorgehensweise?

Dabei helfen die 2021 erschienen aktualisierten Leitlinien zum Thema Diabetes und Ramadan, erstellt von der International Diabetes Federation (IDF) und der Diabetes and Ramadan International Alliance (DAR).

Bevor wir aber zu den aktuellen Empfehlungen kommen, noch ganz kurz vorweg ein paar Fakten zum Einfluss des Fastens im Ramadan auf das endokrine System und vor allem auf ein bestimmtes Hormon – das Insulin.

Nicht nur die normalen Essgewohnheiten werden während des Ramadans umgestellt, sondern durch die strikten Zeitvorgaben, in denen gegessen werden darf, ändern sich auch der Schlaf-Wach-Rhythmus sowie das tägliche Aktivitätslevel.

 

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Studien haben gezeigt, dass beispielsweise das an der Steuerung des Hunger- und Sättigungsgefühls beteiligte Hormon Leptin während des Ramadans am Morgen signifikant erhöht, jedoch das Adiponectin am Morgen signifikant erniedrigt ist. Wie wir wissen, hemmt das Adiponectin normalerweise die Gluconeogenese (Erzeugung von körpereigenem Zucker), stimuliert die beta-Oxidation (Abbau von Fett zur Energiegewinnung) und erhöht die Insulinsensitivität.

Und auch die Cortisolsekretion verändert sich. Diese ist während des Ramadans am Abend höher als am Morgen, also genau umgekehrt wie es sonst eigentlich ist. Cortisol steht in engem Zusammenhang mit unserem Blutzuckerspiegel – denn hohe Cortisolspiegel gehen mit hohen Glucosewerten einher.

Kann die Verschiebung dieser Hormonsekretionen also vielleicht auch Auswirkungen auf Insulin haben, das eine wesentliche Rolle im Glucosestoffwechsel spielt? Die Antwort lautet ja! Zur Abschätzung der endogenen Insulinresistenz betrachtet man den sogenannten HOMA-Index (Homeostasis Model Assessment) und dieser ist insgesamt während des Ramadans erhöht. Und bei wem es jetzt klingelt – genau, eine erhöhte Insulinresistenz steht im Zusammenhang mit Diabetes, und zwar vor allem mit dem Typ 2 Diabetes.

Jetzt aber genug Physiologie und zurück zu den Empfehlungen aus den Leitlinien!

 

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Jetzt aber genug Physiologie und zurück zu den Empfehlungen aus den Leitlinien!

 

Zur Abschätzung des individuellen Risikos wurde ein Risikoscore entwickelt, anhand dem ermittelt werden soll, wie individuell gefährdet in Bezug auf die Entgleisung der Stoffwechsellage eine Person mit Diabetes während des Ramadans ist. Erhoben wird dieser Score anhand mehrerer Faktoren wie beispielsweise der Dauer des Diabetes, dem aktuellen HbA1c-Wert, der aktuellen Behandlung, aktuellen Komorbiditäten, Erfahrungen mit dem Ramadan und so weiter. Insgesamt erfolgt dann eine Einteilung in 3 Gruppen: low risk, moderate risk und high risk. In der low risk-Gruppe ist die Teilnahme am Ramadan möglich, in der moderate risk-Gruppe ist das Fasten zwar möglich, benötigt aber eine engmaschige medizinische Betreuung, und in der high risk-Gruppe wird gänzlich vom Fasten abgeraten.

Wird sich für die Teilnahme am Ramadan entschieden, so gibt es dennoch einige Anhaltspunkte, bei denen das Fasten auf jeden Fall unterbrochen werden sollte, um medizinische Komplikationen zu vermeiden. Dazu zählen Glucosewerte von <70mg/dl oder >300mg/dl sowie Symptome einer Hypoglykämie wie Zittern, Erschöpfung, Herzrasen oder generelle Krankheitssymptome.

Außerdem gibt es in den Leitlinien noch genaue Empfehlungen zum Verhalten und zur Therapieanpassung bei Typ 1 oder Typ 2 Diabetes. Generell birgt das Fasten bei Typ 1-Diabetiker:innen ein etwas höheres Risiko, da insbesondere die Hypoglykämiegefahr (Unterzuckerungsgefahr) höher ist. Deshalb ist es besonders wichtig, die Insulintherapie anzupassen. Steht der:die Patient:in unter keiner Insulinpumpentherapie, sollte auf jeden Fall ein Basal-Bolus-Insulinschema verwendet werden, wobei beispielsweise am Abend das Basalinsulin etwas reduziert werden sollte, um das schon erwähnte Hypoglykämierisiko zu minimieren.

In Bezug auf Typ-2-Diabetiker:innen ist es wichtig, die Therapie mit oralen Antidiabetika zu optimieren. Orale Antidiabetika mit hohem Hypoglykämierisiko wie zum Beispiel Sulfonylharnstoffe sollten hier abgesetzt werden. Zu allen weiteren Medikamenten gibt es in den Leitlinien genaue tabellarische Auflistungen, wann das Medikament eingenommen werden und ob gegebenenfalls eine Dosisanpassung erfolgen sollte.

In den Leitlinien wird empfohlen, allen Diabetespatient:innen, die am Ramadan teilnehmen wollen, eine Teilnahme an einer Schulung zu ermöglichen. Es konnte in Studien gezeigt werden, dass diese Schulungen einerseits positive Effekte auf den HbA1c-Wert sowie das Hypoglykämierisiko haben und andererseits auch generell dazu beitragen können, den Menschen ein besseres Verständnis und einen besseren Zugang zu ihrem generellen Krankheitsgeschehen zu schaffen. Leider gibt es noch nicht genug Schulungsangebote, was sicherlich auch auf die personellen Kapazitäten zurückzuführen ist. Diesbezüglich wird sich in den nächsten Jahren hoffentlich noch einiges verbessern.

 


Quellen (Text): 
Emma Wenzel

Emma Wenzel

Redakteurin

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