Ausland, Famulaturcheck

National Taiwan University Hospital (TWN)

9. Mai 2025
Außereuropäisch, englisch-sprachig & organisierbar – das waren die Eckpunkte, mit welchen wir uns Anfang 2009 auf die Suche nach einer Famulatur für die Sommersemesterferien machten; gelandet sind wir dann nach einigen Wochen der Recherche und des Abwägens bei Taiwan – einem bis dahin für uns eher weißen Fleck auf der Landkarte.
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von Tilman Hickethier und Frank Knötig

In Taipei wollten wir im August und September in der Kardiologie und der interdisziplinären Notaufnahme famulieren – geworden ist es dann allerdings irgendwie Radiologie sowie Herz- & Gefäßchirurgie. Und auch sonst war vieles anders, als wir es erwartet hatten…

Mitte August fanden wir uns nach 13 Stunden Flug mit schweren Rucksäcken bepackt bei tropischen 34°C und 100% Luftfeuchtigkeit um acht Uhr früh im Herzen der Metropole Taipei wieder und versuchten, den Weg zu unserer Unterkunft zu finden, welche den geheimnisvollen Namen Jin-Fu Alumni Hall trug.

Dort angekommen, fanden wir eine Art Tagungshotel vor, welches sich zwischen den sieben 15-stöckigen Bettentürmen des National Taiwan University Hospitals und der erst wenige Wochen alten 19-stöckigen Kinderklinik befand. Untergebracht waren wir zu unserem Erstaunen sehr komfortabel in klimatisierten Zimmern mit Kühlschrank, TV, Internet und großem Bad. Zudem wurden uns täglich frische Handtücher und Bettwäsche sowie ein warmes Frühstück bei „MosBurgers“ auf der anderen Straßenseite geboten.

Und auch die meisten anderen Umstände sollten unseren Aufenthalt sehr angenehm gestalten: Hoch motivierte Ärzte, eine technisch gut ausgestattete Klinik inklusive eines „Food-Courts“ mit 20 verschiedenen Restaurants, lokale Studenten, die versuchten, uns jeden Wunsch zu erfüllen, atemberaubende Landschaften und 60 weitere Gaststudenten aus aller Welt in Taiwan, die mit uns das Land entdecken wollten…

Doch halt – jetzt mal chronologisch: Die ersten beiden Wochen verbrachten wir auf der (interventionellen) Radiologie, wo man sich wirklich außerordentliche Mühe um uns gab. Wir hatten zu jeder Zeit einen zuständigen Arzt, der uns in ein bestimmtes Thema einführen sollte und stolz war, uns etwas beibringen zu dürfen. Da in Taiwan die medizinische Lehre und die komplette Patientendokumentation auf Englisch ist, klappte es mit der Verständigung recht gut; nur bei Meetings & Fortbildungen wurde zu unserem Bedauern meistens Hochchinesisch gesprochen (jedoch unter Verwendung der englischen Fachbegriffe).

Anschließend durften wir noch zwei Wochen lang im Rahmen unserer Herz- und Gefäßchirurgie-Famulatur in die unzähligen OPs des NTUH hineinschnuppern – dass dies nicht mehr ganz mit unseren Radiologie-Erfahrungen mithalten konnte, hatte mehrere Gründe. Primäres Problem war, dass Medizinstudenten in Taiwan bis zu ihrem „Internship“ nur observieren, weshalb es für uns auch nicht wirklich vorgesehen war, selbst Hand am Patienten anzulegen. So sahen wir zwar viele spannende und große Operationen, haben aber an praktischen Fertigkeiten wenig dazugelernt. Zusätzlich erschwert wurde die Situation durch den äußerst stressigen Tagesablauf der uns zugeteilten Oberärzte, sodass manchmal die Erläuterungen eher knapp ausfielen. Der Trost war ein etwas flexibler Tagesablauf für uns und dadurch gelegentliche Freiräume, um die Umgebung zu erkunden.

Somit trübte dies unsere Auslandserfahrung kaum, denn die Zeit ohne die weißen Mäntel verbrachten wir in den immer belebten, bunten Straßen von Taipei, in den unzähligen Clubs bei bester Partystimmung oder auf vielen Reisen quer über die kleine, bergige Insel mit ihren 23 Millionen Bewohnern – immer jedoch in netter Gesellschaft lokaler Medizinstudenten und anderer Gaststudenten, woran wir uns sicher noch lange erinnern werden. So waren wir zwischen den Famulaturtagen bis auf ein Wochenende immer außerhalb der Metropole unterwegs und verbrachten beispielsweise drei intensive Tage mit über 60 anderen „guest students“ aus der ganzen Welt im „Kenting“-Nationalpark im Süden der Insel, lagen dort am Strand bei Lagerfeuer unter dem Sternenhimmel, fuhren Banana- und Speedboot und genossen die Gemeinschaft.

An einem anderen Wochenende organisierte ein Medizinstudent aus Taipei einen Trip nach Green Island, welches wir nach einer nächtlichen Zug- und Bootsfahrt erreichten. Hier verbrachten wir drei Tage in atemberaubender tropischer Natur, sahen uns bisher unbekannte Pflanzen und Tiere an, schnorchelten in glasklarem, warmem Wasser zwischen Korallenriffen und bunten Fischen, bewunderten um fünf Uhr morgens den Sonnenaufgang aus einem von weltweit zwei Meerwasser-Hot-Springs und erkundeten mit unseren gemieteten Scootern die kleine Insel und ihre Strände.

Ein weiteres Highlight war der Taipei 101, das damals höchste Gebäude der Welt. Da um 18:00 Uhr die Sonne verschwindet, machten wir uns gemeinsam mit den anderen Gaststudenten der Uni zeitig nach dem Klinikalltag auf den Weg, um kurz darauf auf der Aussichtsplattform der 509 m hohen Hütte zu stehen. Ab dieser Tageszeit wurde es im Freien erst erträglich, wobei um die 30°C auch nachts üblich waren und wir somit während des sechswöchigen Aufenthaltes nicht einen Tag unsere mitgebrachten Pullover benötigten. Deshalb kamen uns auch die unzähligen „7-Eleven“-Geschäfte sehr gelegen, welche zu wirklich jeder Tages- und Nachtzeit kalte Getränke bereithielten und auch immer etwas zum Beißen im Angebot hatten. Generell waren die Verpflegungspreise für unsere Verhältnisse günstiger, allerdings verglichen mit anderen asiatischen Ländern doch eher gehoben. Letzteres ist sehr verbreitet, und so tummeln sich stets massig Leute auf den vielen Nachtmärkten, die ein ganz eigenes Flair boten und uns ständig in Versuchung führten, unzählige unbekannte Gerichte auszuprobieren – die genauen Zutaten waren dabei meist nicht so klar, aber geschmeckt hat trotzdem das Meiste.

Kurz vor der Heimreise flogen wir noch nach Hongkong und Macao, eine der Städte mit der höchsten Bevölkerungsdichte, wo wir unsere letzten vier Tage verbringen sollten. Gleich zu Beginn bekamen wir durch einen Inder ein „Fully Deluxe Apartment“ vermittelt.

„Fully Deluxe“ stand hierbei allerdings für ein 12 Quadratmeter (für drei Personen!) gefliestes fensterloses Loch mit einem Bad, in dem man wegen des Platzmangels über der Toilette duschen musste. Den ersten der vier Tage verbrachten wir in Macau, einer ehemals portugiesischen Kolonie, welche mittlerweile das Las Vegas Chinas ist. Die Geschichte hatte hier aber deutliche Spuren hinterlassen, und vielerorts vermittelte der südeuropäische Baustil eine für diesen Fleck der Erde sehr untypische Atmosphäre. Und auch von Hongkong selbst waren wir sehr beeindruckt, denn die Skyline und das Gedränge rund um den Victoria Harbour lassen selbst New York wie eine Vorstadt wirken.

 

Am Ende unseres Aufenthalts in Asien mussten wir also viele unserer Vorstellungen von Taiwan revidieren, denn wir wurden dort in einem sehr sauberen, sicheren und mittlerweile auch verhältnismäßig wohlhabenden Land empfangen, welches aufgrund des massiven Wirtschaftswachstums (jedes zweite Notebook der Welt ist von dieser Insel) in den letzten Jahrzehnten einen Lebensstandard erreicht hat, der in vielen Bereichen dem europäischen sehr nahe kommt. Besonders hervorzuheben sind die extrem freundlichen und hilfsbereiten Menschen, die wir dort trafen, die wirklich keine Mühen gescheut haben, um uns den Aufenthalt so schön wie nur möglich zu gestalten – dass dies nur zu 95% geklappt hat, lag zum einen daran, dass wir die Landessprache nicht beherrschten, und zum anderen an dem unterschiedlichen Ausbildungssystem, welches für Studenten kaum praktische Tätigkeiten vorsieht. Trotzdem waren wir mit unserer Reise sehr zufrieden und überlegen, im KPJ nochmals zurückzukehren…

Taipeh

Impression auf Taipeh  © LINK

Tilman Hickethier

Tilman Hickethier

Beitrag vom März 2010

Frank Knötig

Frank Knötig

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